Landwirte in Baden-Württemberg werden ihre Kirschen nicht los
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Dieses Jahr gibt es in Baden-Württemberg so viele Kirschen, dass mancher Landwirt seine Ware nicht los wird. Der Handel drückt die Preise, der Verkauf lohnt sich teils nicht mehr.
Baden-Württemberg ist mit 2.800 Hektar in Deutschland das bedeutendste Anbaugebiet für Süßkirschen. Dieses Jahr wird laut Statistischem Bundesamt eine Erntemenge von rund 17.100 Tonnen
erwartet, das wären gut 4.400 Tonnen mehr als im Jahr 2021.
Bei den Sauerkirschen sind es 2.100 Tonnen - mehr als doppelt so viele, wie im vergangenen Jahr. Die genauen Ergebnisse liegen erst im Spätsommer vor, aber schon jetzt ist klar, es wird
richtig viele Kirschen geben.
Viel Sonne bedeutet viel Aroma
Die viele Sonne dieses Jahr sorgt für ein gutes Aroma, sagt Anita Keicher vom Bioland Obst- und Gemüse Betrieb in Erlenbach (Kreis Heilbronn). Der Betrieb bewirtschaftet in der Nähe des
Weinsberger Kreuzes rund 1.200 Kirschbäume. "Wir rechnen dieses Jahr mit etwa 10 Tonnen Ernte", meint Jürgen Keicher. Neben den Saisonkräften aus Rumänien hilft auch die Schwägerin beim Pflücken.
"Wir hatten Glück, der Frost Anfang des Jahres hat nur wenige Blüten zunichte gemacht", sagt Jürgen Keicher. Mit einer Pelletheizung und Folie haben sie dem Frost getrotzt. Auch sonst sind die
Bäume mit Folien eingezeltet. Sie sorgen dafür, dass der Regen nicht auf die Kirschen fällt und diese zum Platzen bringt. Außerdem soll die Folie vor der gefürchteten Kirschessigfliege und der
Kirschfruchtfliege schützen.
Der Handel drückt die Preise - Große Sorten kaum noch gefragt
Die großen Erntemengen machen den Landwirten teilweise Probleme. Denn auch der Handel habe die Berichte in den Medien von 50 Prozent Zuwachs gelesen und drücke nun die Preise, sagt Jürgen
Keicher. Beim konventionellen Anbau würden einige Kollegen vom Bodensee und anderswo bestimmte Sorten schon gar nicht mehr los. Nur noch die Sorte Kordia mit 28 mm sei vermarktbar. Schuld seien
große Landwirte aus Norddeutschland und Franken, die mit sehr kleinen Kirschen den Markt kaputt machten.
Inflation noch kein Problem aber die Mindestlohn-Erhöhung
Als Bio-Landwirt liefert er an den Großhandel, die Ware landet bei Discountern, zum Teil auch im eigenen Hofladen in Erlenbach. Er muss viel telefonieren, um seine Kirschen unterzubekommen.
Die Inflation spürt er als Biolandwirt noch nicht, sagt er. Mehr Sorgen mache ihm der Mindestlohn. Ab Oktober gibt es für die Helfer 25 Prozent mehr Geld, ob die Landwirte das an die Kunden
weitergeben können, sei fraglich. Ihr Ziel sei im kommenden Jahr mit höheren Standards und mehr Qualität erfolgreich dem Preisdruck zu trotzen.